Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben spielt eine immer grössere Rolle

Birgit Lauber, Geschäftsführerin der Fachstelle UND, bei der Vorstellungsrunde des Kickoffs des VSSM-Pilotprojekts Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Bild: Michael Poysden

Der VSSM führt mit der Fachstelle UND ein Pilotprojekt zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch. 16 Mitgliedsbetriebe machen mit und sind beim Kickoff-Event erstmals zusammengekommen. 

Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus, wie findet man gute Mitarbeitende und noch wichtiger: Wie behält man diese? Gibt es Praxisbeispiele von flexiblen Arbeitszeitmodellen? Was machen andere Betriebe und sind diese damit erfolgreich? Solche Fragen stellen sich Unternehmerinnen und Unternehmer, die am Pilotprojekt Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben teilnehmen, das vom VSSM in Zusammenarbeit mit der Fachstelle UND durchgeführt wird. Letztere verfügt über grosse Erfahrung im Bereich Life-Balance und hat schon mehrere Vereinbarkeitsprojekte durchführen dürfen. 

Über 20 Mitgliedsbetriebe aus verschiedenen Regionen und unterschiedlicher Grösse haben sich für die Teilnahme beworben, 16 sind nun mit dabei. Am 29. Juni trafen sich alle erstmals zum Kickoff-Event am VSSM-Hauptsitz in Wallisellen ZH. 

Argumente und Anforderungen für den nächsten GAV

«Der sehr positive Rücklauf auf unseren Aufruf zeigt, wie aktuell das Thema Vereinbarkeit ist und noch aktueller wird», sagte VSSM-Direktor Daniel Furrer bei der Begrüssung. Es sei wichtig, als Arbeitgeber einen Schritt weiterzugehen in der Gewinnung von Mitarbeitenden und diese auch zu halten. Als Betrieb wolle man aber auch leistungsfähig und auf dem Markt schlagkräftig sein. Der Bund unterstützt das Pilotprojekt, das man wegen der hohen Nachfrage von zwölf auf 16 teilnehmende Betriebe ausweiten konnte.

Auch für den Verband ist das Projekt ein sehr wichtiges und spannendes Thema. «Wir werden ebenfalls Nutzen daraus ziehen und die Vereinbarkeit in die kommenden Verhandlungen für den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) einfliessen lassen.» Furrer erhofft sich, von der Basis zu spüren, was für den nächsten GAV wichtig und vereinbar sei und möchte Argumente sammeln. «So ergibt sich ein Mehrfachnutzen aus diesem Projekt.»

Instrumente für die tägliche Umsetzung gewünscht

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden unter anderem zu ihren Erwartungen befragt. Viele bieten bereits Teilzeitstellen oder Papitage an. Einige berichten jedoch von schwieriger Einsatzplanung, nicht immer einfachem Zufriedenstellen der Kundschaft und bei dieser oft fehlendem Verständnis für Teilzeit. Andere wünschen sich neue Blickwinkel und möchten die Generation Z besser verstehen. Sie erhoffen sich Instrumente und Werkzeuge, um die Vereinbarkeit im Betrieb besser umzusetzen. 

In Gruppenarbeiten und auch bei der Diskussion im Plenum sind viele Erfahrungen und Erwartungen zusammengekommen. Auch der Austausch unter den Teilnehmenden war rege und interessant.

Verständnis für Teilzeit fördern und vorleben

«Vereinbarkeit ist mir ein grosses Anliegen. Ich selbst arbeite drei Tage im Büro und einen im Homeoffice und möchte, dass mehr Mitarbeitende von einer guten Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben profitieren können», sagt Cornelia Müller, Leiterin Administration und Finanzen bei der Elibag – Elgger Innenausbau AG in Elgg ZH. Im Betrieb hätten sie zum Beispiel Monteure, die 80 Prozent tätig seien oder auch Mitarbeiterinnen mit verschiedenen Pensen. Sie spüre bei manchen Vorgesetzten noch einen gewissen Vorbehalt und erhofft sich neue Wege, das Verständnis zu fördern und aufzuzeigen, dass Teilzeitarbeiten möglich sei. Das wolle man auch auf dem Arbeitsmarkt vermarkten. 

Michel Schwarzentruber, Geschäftsführer der Holzwerk GmbH in Tecknau BL, beschäftigt ebenfalls schon Teilzeitmitarbeitende und erhofft sich vom Projekt, das Arbeitszeitmodell anpassen zu können und flexibler zu werden. «Ich mache mir auch Gedanken über eine Vier-Tage-Woche: Ist das sinnvoll und gibt es erste Erfahrungen?» begründet er seine Teilnahme. Auch das Thema Homeoffice möchte er zum Beispiel anvisieren. «Der Austausch heute war toll. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.» 

Am Freitagmittag ist Arbeitsschluss

Rico Gansner, Geschäftsführer der Schreinerei Rico Gansner in Landquart GR, sagt, dass sich der Tag gelohnt hat. «Ich finde es eindrücklich, dass das Thema Vereinbarkeit bei allen so aktuell ist. Wir KMUs sind extrem flexibel und entwickeln eine Eigendynamik, jeder auf seine Region und Strukturen ausgelegt.» In seinem Betrieb arbeite fast niemand mehr Vollzeit, berichtet Gansner. Zudem werde am Freitagmittag schon ins Wochenende gegangen, und alle hätten eine Woche mehr Ferien als üblich. «Zufriedene Mitarbeitende haben oberste Priorität, die wir täglich zusammen vorleben. Ich nenne sie zudem lieber Mitdenker und Mitbeweger. Der Mensch steht bei uns im Zentrum.»

Zuerst gibt es eine Organisationsanalyse

Tobias Oberli und Anna Kilchenmann von der Fachstelle UND werden als nächstes in die Betriebe gehen und eine Organisationsanalyse vornehmen. Dann wird es eine Mitarbeitendenumfrage in den Unternehmen geben und danach wird in einem Workshop ein Aktionsplan für jeden Betrieb erstellt. «2024 werden wir wieder zu zwei Runden Tischen zusammen kommen», sagte Oberli zum Zeitplan. «Wahrscheinlich im Januar und dann im zweiten Quartal 2024.» Abgeschlossen wird das Projekt mit einem Verbandsevent, der zeitlich noch festgelegt werden muss. 

Nicole D'Orazio

 

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