SchreinerForum: Ein Generationenwechsel weckt immer Emotionen

Die Teilnehmenden des SchreinerForums hören den Ausführungen von Ronald Baumann zu. Bild: Beat Baschung

Rund 270 Gäste lockte das SchreinerForum ins Trafo nach Baden. Aus den Erfahrungsberichten der Redner kristallisierten sich die frühzeitige Planung, der Einbezug des Teams und die emotionale Komponente des Generationenwechsels als Kernpunkte heraus.

Der Schreinerberuf hätte ihr auch gefallen können, sagte Moderatorin Vanessa Meier bei ihrer Einleitung des Schreinerforums am 27. November im Trafo in Baden AG. Allerdings räumte sie auch gleich ein, dass sie wohl für den Journalismus besser geeignet gewesen sei. Diesen Steilpass nahm Thomas Iten, Zentralpräsident des VSSM, gerne auf. Er verwies mit einem Lächeln auf die Möglichkeit für einen Quereinstieg ins Schreinermetier und leitete dann nahtlos ins Thema des diesjährigen Schreinerforums über. «Der Generationenwechsel ist viel mehr als eine Stabsübergabe», erklärte er. «Es ist ein Prozess.» Es sei wichtig bestehende Werte, Kultur und Visionen miteinzubeziehen, gleichzeitig aber auch neue Ideen aufzunehmen. Dazu brauche es Weitsicht und Vertrauen.

Die Zügel loslassen

Die Folgen einer konfliktreichen Geschäftsübergabe hat Roland Baumann in seiner beruflichen Karriere gleich zweimal erleben müssen. Als Mitarbeitender geriet er ins Spannungsfeld zwischen Vater und Sohn. Für den Gründer und ehemaligen Geschäftsführer der Baumann + Eggimann AG in Zäziwil BE ist klar: «Ein Generationenwechsel findet nicht nur auf der Chefebene statt, sondern permanent im ganzen Betrieb. Die eigene Geschäftsübergabe hat Baumann frühzeitig geplant. Neun Jahre lang hat er seinen Nachfolger, einen langjährigen Mitarbeiter, in seine neuen Aufgaben eingeführt. Auf diese Weise war es möglich einen fliessenden Übergang zu schaffen und, für sich selber, seinen Nachfolger aber auch für das gesamte Team.

«Als es 2022 dann soweit war, habe ich mein Chefbüro während mehreren Tagen selber geräumt und geputzt», sagte er. «Das war für mich ein wichtiger Prozess um Abschied zu nehmen.» Er selber zügelte sein Büro von Zäziwil nach Biglen und blieb dem Betrieb als Verkaufsleiter erhalten. Vor acht Monaten hat er nun auch diesen Posten in neue Hände gegeben, ist aber weiterhin als Marketingleiter und stellvertretender Geschäftsführer im Betrieb tätig. Dieser Schritt sei ihm schwerer gefallen, als die Übergabe der Geschäftsführung, gab er unumwunden zu. «Ich habe Mühe, als normaler Mitarbeiter meinen Platz zu finden», erklärte er. «Es ist nicht einfach zu schweigen, wenn man etwas zu sagen hätte.» Es sei aber wichtig, dass die alte Generation die Zügel loslasse und die neue Generation Verantwortung übernehme.

Spüren, ob die Strukturen passen

Roberto Jäckle beleuchtete die Thematik aus einer vollkommen anderen Optik. Als Externer hat er die Irniger Innenausbau AG, die Hermann Hasler AG und kürzlich die Sitzplatz.ch übernommen. Dafür hat er jeweils eine Holdingstruktur geschaffen, die den Betrieb zu 100 Prozent gekauft hat, aber nicht die Immobilie. Die Kaufentscheide habe er nicht leichtfertig getroffen, erklärte er. Für ihn sei es wichtig, zu spüren, ob die Strukturen zu ihm passen. «Ich komme nicht und mache alles neu, sondern versuche zu erleben, wie die Firma läuft.» Der Kauf müsse ein gemeinsamer Entscheid sein, sonst leide am Ende jemand, man selber, die Familie oder das Unternehmen.

Jäckle ist es wichtig fair sein bei den Verhandlungen, denn so habe man dann auch nach der Übernahme einen Ansprechpartner. «Die Lösung einen Externen in den Betrieb zu holen ist nicht abwegig», findet Jäckle. In der Schreinerbranche sie dies etwas weniger üblich, in anderen Branchen aber weit verbreitet.

Probesterben als Resilienztest

David Renggli ist seit September 2023 CEO der Renggli AG. Den Betrieb hat er im Rahmen einer familieninternen Nachfolge in fünfter Generation gemeinsam mit seinen beiden Brüdern übernommen. «Als Eigentümer sind wir gleichberechtigt, aber die Saläre sind auf unsere jeweilige Funktion im Betrieb angepasst», erklärte Renggli. «Wir wollen nicht Wasser predigen und selber Wein trinken.» Es sei nicht von Anfang an klar gewesen, dass der Generationenwechsel familienintern erfolgen werde. «Mein Vater hat in Australien einen Sabbatical gemacht, ein so genanntes Probesterben als Resilienztest für den Betrieb», erinnerte sich Renggli. Danach lag es an den drei Brüdern, sich Gedanken zu machen. «2021 haben wir unser Commitment gegeben und einen externen Berater beigezogen.»

Es wurde eine Holding gegründet und die Betriebsübernahme mittels externer Bank finanziert. «Eine Fremdfinanzierung schafft Klarheit», sagte Renggli, auf diese Weise sei auch er als Geschäftsführer kündbar. «Oft werden Führung und Eigentum zusammengemischt, ohne einen Schritt zurückzumachen.» Als einen der wichtigsten Punkte beim Generationenwechsel sieht Renggli «die  Mitarbeitenden mit auf die Reise zu nehmen». Ausserdem müsse man sich bewusst sein, dass es gerade einer familieninternen Übergabe auch immer wieder zu Verletzungen komme. Es sei wichtig, diese auszudiskutieren und sich wieder zu finden. Abschliessend sprach Renggli auch die Vorsorge an. Dieser sei insbesondere  grosse Beachtung zu schenken, wenn jeder Franken im Unternehmen stecke.

Der Wert ist nicht gleich dem Preis

Den Ball von David Renggli nahm Reto Rauschenberger auf. Als Finanzberater und CEO des Unternehmens Stuzz verfügt er über viel Erfahrung im Bereich Unternehmensübernahmen. «Man muss sehr früh anfangen zu planen, damit man seine Rente dann auch geniessen kann», mahnte er. Dies gelte insbesondere auch für die eigene Vorsorge. Der Experte zeigte auf, welche Punkte bei einem Verkauf des Unternehmens wichtig sind. So betonte er: «Der Wert ist nicht gleich dem Preis eines Unternehmens.»

Als Verkäufer sei es wichtig die Planung rechtzeitig in Angriff zu nehmen und das Geschäft für den Verkauf vorzubereiten. «Die Braut hübsch machen», wie es Rauschenberger bildlich ausdrückte. Damit sprach er die Umsatz- und Gewinnoptimierung genau so an, wie organisatorische Gesichtspunkte und eine saubere Dokumentation aller wichtiger Fakten. Extrem komplex seien auch die steuerliche Aspekte, da könne es wertvoll sein einen Steuerexperten beizuziehen.

Neue Begriffe und Fencheltee

In einer Talkrunde fühlte Moderatorin Vanessa Meier den vier Rednern nochmals auf den Zahn. Die Runde wurde komplettiert von Anita Luginbühl, Vizepräsidentin des VSSM. Sie berichtete vom Verkauf ihres Betriebes, der Luag Luginbühl AG in Krattigen BE, die sie zusammen mit ihrem Mann in vierter Generation geführt hatte. Ihre Kinder hatten kein Interesse an der Nachfolge und so wurde der Betrieb Mitte dieses Jahres von zwei langjährigen Mitarbeitern übernommen. «Ich empfinde grosse Dankbarkeit, dass der Betrieb mit all seinen Mitarbeitenden weiterbesteht», sagte Luginbühl. Es sei ein sehr langer und intensiver Prozess gewesen. «Der bürokratisch Aufwand war enorm und ich habe Begriffe gelernt, die ich nie zuvor gehört hatte», sagte sie. «Am Ende ist alles gut gekommen, aber oft hat es ein bisschen viel Fencheltee gebraucht», gestand sie mit einem Lächeln.
Reto Rauschenberger fand, dass es wichtig sei erst einmal «den Strauss aufzumachen und zu schauen, was es für Möglichkeiten gibt». Dabei gelte es auch die emotionale Seite zu beachten, denn diese sei mindestens genau so wichtig, wie die «Hard Facts».
Der Verkaufspreis sei das Einfachste gewesen, bestätigte David Renggli, man reibe sich bei den Details und den emotionalen Themen auf. «Ältere Generation sollten ihre Nachkommen Erfahrungen machen lassen, nicht schon als Kind mit ihnen durch den Betrieb laufen und sagen: ‹einmal bist du dann der grosse Zampano hier›.» Gerade weil er keinen Erwartungsdruck von seinen Eltern gespürt habe und sie ihm viel Freiheit gelassen hätten, sei er irgendwann bereit gewesen ein klares Commitment abzugeben.

Man muss Mitarbeitende begeistern

Einige Leute hätten ihm gesagt, «du wirst nie ein guter Unternehmer», erinnerte sich Roland Baumann an seine Anfangszeiten zurück. «Vielleicht hatten sie Recht, aber sie haben vergessen, dass man ein Team um sich herum hat», resümierte er. Man müsse die Mitarbeitenden begeistern können, denn wenn sie mit Freude arbeiten, seien enorme Leistungen möglich.
Das Team ist auch für Roberto Jäckle ein wichtiger Erfolgsfaktor. «Als Externer kann ich vom Knowhow der Mitarbeitenden enorm profitieren.» Es sei ihm wichtig ein einer gesunden Art in die Strukturen reinzuwachsen und nicht gleich alles umzukrempeln. Schliesslich sei das Team bestehend und das einzige Neue sei er selbst.

Steiniger Weg zum Erfolg

Einen steinigen Weg bei der Firmenübernahme hat Transportunternehmer und Nationalrat Benjamin Giezendanner hinter sich. Da war der Zwist mit seinem Bruder, da waren die grossen Fussstapfen seines Vaters und da waren die Boulevardmedien, die für eine Schlagzeile geradezu auf ein Scheitern der bekannten Familie warteten. «Da gab es so einige Schlagzeilen, die richtig weh getan haben», gestand Giezendanner. Am meisten belastet habe ihn aber die zerrüttete Beziehung zu seinem Bruder. Heute haben sich die Wogen geglättet und die beiden haben ein enges Verhältnis. Als Verwaltungsrat, bilde sein Bruder auch im Unternehmen ein ideales Gegengewicht.

Auch hat Giezendanner gelernt aus dem Schatten des Vaters hinauszutreten. «Ich habe meinen eigenen Weg gefunden.» Er habe die Tendenz alles zu sich zu ziehen, statt auch einmal abzugeben und den Leuten Vertrauen zu schenken, räumte er selbstkritisch ein. «Rückblickend hätten wir auch bei der Firmenübergabe externe Hilfe beiziehen sollen, so hätten wir gewisse Fehler vermeiden können.»

Perspektiven aufzeigen

In welchen Themen der VSSM den Betrieben zur Seite stehen kann, zeigte Simon Schneider, Bereichsleiter Technik und Betriebswirtschaft auf. Dabei betonte er, dass der VSSM bei einer Nachfolgeregelung als neutrale Beratungsstelle, für eine faire Lösung für beide Parteien einstehe. Eine Geschäftsübergabe sei ein Prozess und oft sei nicht die erste Lösung die beste. «Haben Sie keine Angst zu kommunizieren, Mitarbeitende brauchen eine Sicherheit, dass es weitergeht», sagte er. Daneben sprach er auch das Thema des Statusverlustes an. «Seid euch bewusst, dass so eine Übergabe etwas mit euch macht.» 
VSSM-Direktor Daniel Furrer, erklärte dass die Zukunft der Schreinerbranche schon bei der Lernendenauswahl beginne. Wichtig sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Leute in der Branche halten zu können. «Zeigen sie ihren Mitarbeitenden Perspektiven auf und vermitteln Sie ihnen, dass es attraktiv ist, Unternehmer zu sein», forderte Furrer die Anwesenden auf. Aus-serdem verwies er auf das Kompetenzzentrum des VSSM. «Ihr müsst das Wissen bei uns abholen», sagte er. «Wir haben 55 Ansprechpartner aus allen möglichen Bereichen. Ein grosser Teil davon hat eine Schreinerlehre gemacht. Diese Leute, reden eure Sprache und kennen eure Bedürfnisse.»

Leuchtturm der Branche

Als Leuchtturm in der Branche bezeichnete Zentralvorstand Heinrich Hochuli Elmar Wyrsch den Silbermedaillengewinner bei den Möbelschreinern an den World Skills in Lyon. Er sei ruhig, ehrgeizig, zielstrebig, und nahbar. Der Bildungsgutschein im Wert von 5000 Franken, den Wyrsch entgennehmen durfte ist bestimmt ein guter Start in eine weitere Karriere.

Monika Hurni, Schreinerzeitung

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