Erstes Treffen der Kandidierenden in Bern mit ZV-Präsident Thomas Iten (2. v. r.) und VSSM-Direktor Daniel Furrer (r.). Bild: Reto Schlatter
Am 22. Oktober finden die Wahlen ins eidgenössische Parlament statt. Unter den Kandidierenden sind auch einige «Hölzige». Diese hat der VSSM ins Bundeshaus eingeladen, um sie in einer lockeren Diskussionsrunde näher kennenzulernen.
Die Holzbranche ist im schweizerischen Parlament kaum vertreten. Dies soll sich ändern. Der VSSM hat die «hölzigen» Kandidatinnen und Kandidaten für den National- und den Ständerat in einem Kreisschreiben eingeladen, sich zu melden, um sie für die Wählerinnen und Wähler sichtbar zu machen. Gemeldet haben sich neun Kandidierende, die der Branche in der nationalen Politik eine Stimme geben wollen. Diese haben der VSSM und die Schreinerzeitung im Juli zu einem ersten Kennenlernen ins Bundeshaus eingeladen.
In einer spannenden Diskussionsrunde haben zwei Frauen und sechs Männer über Herausforderungen und Lösungsansätze in der Branche diskutiert. Gefehlt hat am Anlass Schreinermeister und Unternehmer Thomas Lamprecht aus Bassersdorf, der seit 2018 die EDU im Zürcher Kantonsrat vertritt.
Stark weiss, wie es geht
Einer, der weiss, was es braucht, um in Bundesbern bestehen zu können, ist der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark. «Ich bin zwar ursprünglich kein ‹Hölziger›, fühle mich der Branche aber immer mehr verbunden», sagt der Präsident der Lignum. Nach vier Jahren habe er sich in sein Amt als Ständerat eingearbeitet und kandidiere nun noch einmal, um die angefangenen Geschäfte weiterzuführen. Dabei spricht Stark unter anderem die Thematik der Kreislaufwirtschaft an sowie die Substitution diverser Baumaterialien durch Holz.
Näher zusammenrücken
«Mit der Substitution kämpft man noch gegen Windmühlen», greift der Berner FDP-Grossrat Peter Haudenschild das Thema auf. Als wichtig sieht der Zimmermeister und Geschäftsführer der Haudenschild AG in Niederbipp BE die Vernetzung in der Holzbranche an. «Die Wertschöpfungskette Holz muss näher zusammenrücken», sagt er. Insofern habe er sich gefreut, zu sehen, dass der VSSM die gleichen Schwerpunkte setze wie der Holzbauverband. So könne man Probleme gemeinsam anpacken. Haudenschild spricht sich für die Förderung nachhaltiger Unterstützung aus, will sich aber gegen Gesetze wehren, «die reine Zwänge geben».
Periphere Regionen leiden
Die Gesetzgebung spricht der Berner EVP-Grossrat Markus Wenger auch in Zusammenhang mit der Raumplanung an. «Wir leiden in den peripheren Regionen sehr darunter, dass kleinste Sachen nicht bewilligungsfähig sind», erklärt der Projektleiter und ehemalige Geschäftsleiter der Wenger Fenster AG in Wimmis BE. Das Ziel sei nicht Mehrfamilienhäuser im «Gjät usse» zu bauen, sondern die vorhandenen Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Aktuell sei es kaum möglich, «einen Nagel ausserhalb des bestehenden Areals einzuschlagen».
Raumplanungsgesetz vernünftig umsetzen
Dieser Meinung ist auch der Freiburger SVP-Grossrat Flavio Bortoluzzi. In Bezug auf die Raumplanung habe er bereits «haarsträubende Sachen» erlebt. «Das Raumplanungsgesetz ist angenommen worden und muss nun vernünftig umgesetzt werden», findet das Geschäftsleitungsmitglied der Hurni und Sohn AG in Ferenbalm BE.
GAV passt nicht zu den Wünschen der Mitarbeitenden
Fred Luginbühl, Geschäftsleiter der Luag Luginbühl AG in Krattigen BE und Kandidat der Mitte-Partei, bringt als zentrales Thema der Schreinerbranche den GAV auf den Tisch. Diesen sieht er als zu starres Gefäss für die immer individuelleren Lebensbedingungen und Ansprüche der Arbeitnehmenden. «Die Wünsche der Mitarbeitenden sind fast nicht mit dem GAV zu vereinbaren», erklärt der Unternehmer.
Politik rennt der Gesellschaft hinterher
Dieses Problem kennt auch seine Ehefrau Anita Luginbühl, welche das Büro des Betriebes führt und sich als Vizepräsidentin des VSSM-Zentralvorstands intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hat. «Wir sind froh, haben wir den GAV wieder», sagt sie. Es sei jedoch eine Herausforderung, ein Regelwerk zu schaffen, welches das Abbild der Gesellschaft widerspiegle. «Die Politik rennt der Gesellschaft hinterher», sagt die ehemalige BDP-Grossrätin des Kantons Bern, welche nach dem Zusammenschluss der BDP mit der CVP nun der Mitte-Partei angehört.
Beruf soll auch für Frauen spannend sein
Im Zuge der Veränderungen in der Branche spricht Luginbühl auch den hohen Frauenanteil in der Schreinerbranche an – Wind auf den Mühlen der St.Galler FDP-Kantonsrätin Andrea Abderhalden. Es sei wichtig, zu zeigen, dass der Schreinerberuf auch für Frauen spannend sei, meint die Geschäftsfrau, welche im Büro der AAK Holzmanufaktur AG im toggenburgischen Ulisbach arbeitet, bei der ihr Mann, der ehemalige Schwingerkönig Jörg Abderhalden, als Geschäftsleiter tätig ist. «Wir müssen den Jugendlichen zeigen, wie modern der Schreinerberuf ist, und sie dabei auf den richtigen Kanälen ansprechen», sagt Abderhalden. Damit spricht sie insbesondere die sozialen Medien an.
Wertschätzung fürs Handwerk stärken
Ein grosses Thema war nicht überraschend der Fachkräftemangel in der Branche. Es müsse mit allen Mitteln versucht werden, die Wertschätzung für das Handwerk zu stärken, waren sich alle Anwesenden einig. Bei potenziellen Lernenden gelte es auch, Einflusspersonen wie Eltern oder Lehrpersonen miteinzubeziehen. «Es wird Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und unseren Beruf ins rechte Licht zu rücken», meint Jürg Rothenbühler, Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei in Zollbrück und Berner Grossrat der Mitte-Partei. Alte Strukturen müssten überdacht und die verstaubte «Meister-Eder-und-Pumuckl-Nostalgie» aufpoliert werden. Als ein Mittel, um Junge in die Branche zu holen, sieht er auch den Weg über den Beruf der Zeichnerin respektive des Zeichners Fachrichtung Innenarchitektur (ehemals Innenausbauzeichner).
Herausforderungen gibt es genug in der Branche, und das Gespräch im kunstvollen Brienzer Zimmer des Bundeshauses zeigte vor allem eines: Geht es um das Handwerk, so sind die Kandidatinnen und Kandidaten aus demselben Holz geschnitzt.
Monika Hurni, Schreinerzeitung