Es gibt Dinge, die sind untrennbar. So wie Tisch und Stuhl oder auch Zermatt und das Matterhorn. Die Tourismushochburg im Wallis verzeichnet jedes Jahr rund 1,2 Millionen Gästeübernachtungen.
Der Verkehr in den engen Strassen ist fast geräuschlos, denn Zermatt ist eine autofreie Zone, in der nur E-Mobilität erlaubt ist. Der Helikopter ist in den Bergen ein normales Transportmittel. So lieferte der Zermatter Schreiner Markus Bittel seine Fenster samt Verglasung einmal aus der Luft auf eine Baustelle auf 3500 Metern Höhe. Spektakulär, doch für ihn nur eine Randbemerkung wert. Der Schreiner will eigentlich nur seiner Arbeit nachgehen. So wie es schon sein Vater und sein Grossvater getan haben. Genau wie die Generationen vor ihm ist er auf Innenausbau und Fensterbau spezialisiert. Derzeit führt er das Geschäft mit bis zu 14 Mitarbeitenden gemeinsam mit seinem Bruder. Besonders der Fensterbau entwickelt sich bei der Bittel AG stetig. Aktuell entfallen bis zu 70 Prozent der Fertigung auf Holz- und Holz-Alu-Fenster, auf Hebeschiebetüren und Nebenprodukte.
Jedes Jahr verlassen 1800 bis 2000 Fenster die Werkstatt. Durchaus ein Grund zur Zufriedenheit, wenn nicht die besonderen Umstände des Standorts Zermatt wären.
Aus Mangel an Fachkräften
Bittel erlebt vor seiner Tür täglich die Enge des Mattertals. Auf der rechten Strassenseite produziert er in einem schönen alten Gebäude, das er angemietet hat. Mehr Platz ist an dieser Stelle nicht. Schon gar nicht für die Oberflächenbehandlung. Es blieb nur das Ausweichen auf einen schmalen Streifen auf der anderen Strassenseite. Dort drückt sich jetzt ein kleiner Betonbau an den nahen Hang. Drinnen ist wenig Platz. Bei gutem Wetter wird der eine oder andere Prozess nach draussen verlagert.
Expandiert hätte Bittel gern, doch es gibt da ein Problem: «Bei einem Quadratmeterpreis von etwa 3000 Franken muss man schon rechnen», sagt er. Dazu bereitet ihm der Standort, in dem immerhin 90 Prozent seiner Kunden beheimatet sind, noch eine andere Sorge: «Wir kriegen hier kaum Fachkräfte. Die jungen Leute aus dem Tal wollen nicht das ganze Jahr oben in den Bergen leben.» Bis vor vier Jahren hat er diesen Mangel noch nicht so gespürt. Dann erkrankte sein Schwager, der die Fertigung auf den herkömmlichen Einzelmaschinen perfekt beherrschte, schwer. Nach seinem Ausfall wusste Bittel, dass er die Produktionsweise komplett umstellen musste.
Rationelle Einzelteilfertigung
Im Internet stiess Bittel auf die Weinig Conturex. Das war exakt die Lösung, die ihm vorgeschwebt war. «Rationelle Einzelteilfertigung ohne ständiges Umrüsten, dazu noch tolle Bearbeitungsqualität dank der Zangentisch-Technologie», fasst er zusammen. Im Vergleich zu anderen Maschinen begeisterte ihn die Weinig-Philosophie, bei welcher «der Tisch fährt und nicht das Werkzeug», wie er es ausdrückt. Insgesamt passte die extrem flexible Auslegung der Conturex-Konzeption ideal zu seinen vielen Aufträgen mit kleinen Losgrössen. Nach dem ersten Kontakt mit dem Gebietsverkaufsleiter Erik Barmettler von Weinig Holz-Her Schweiz überzeugte ihn der Besuch eines Referenzbetriebs endgültig.
Investition für die Zukunft
Nachdem er den Mut gefasst hatte für die beträchtliche Investition, bekam klare Konturen, was den Schreinermeister schon seit Jahren nicht mehr ruhig schlafen liess: die Zukunftsausrichtung seines Betriebes.
Welches Modell er sich anschaffen wollte, stand aus Platzgründen fest: eine Conturex Compact, die Einstiegsvariante des breiten Weinig-Programms für die CNC-Fensterfertigung. Die Maschine verfügt über ein Portal und zwei Aggregate, darunter eine Universalspindel für die Rundumbearbeitung. Bei der Konfiguration des CNC-Centers spielt die Wahl der Eckverbindungstechnik naturgemäss eine wichtige Rolle.
In den Bergen wird das Thema aber unter anderen Gesichtspunkten diskutiert als im Tal: «Einige Kunden der Schreinerei sind auf über 3000 m daheim. Die Fenster müssen dort Winden bis zu 200 km/h standhalten», erklärt Barmettler. Um die nötige Stabilität für die Fensterkonstruktion gewährleisten zu können, entschied man sich für das Oertli-System Connect, eine Eckverbindung mit Langloch-Zapfen. Ein weiteres Merkmal der Conturex von Bittel ist die Auslegung auf Längen bis zu 6 Metern anstelle der üblichen 4,5 Meter.
Zentimeterarbeit gefragt
Seit Mai steht nun die Weinig-Fenstermaschine in der Werkstatt und produziert zur vollsten Zufriedenheit des Betriebs.
Davor jedoch lag ein langer Weg nach Zermatt. Schon beim ersten Ortstermin mit den Weinig-Spezialisten hatte sich gezeigt, dass Zentimeterarbeit nötig war, um die tonnenschwere Maschine in die kleine Werkstatt zu bekommen. Am Ende musste gar noch ein Loch in die Decke gemacht werden, weil die Absaugung sonst nicht gepasst hätte. Das daraus resultierende Statikproblem wurde durch eine Abstützung mit Stahlträgern gelöst. Nach Klärung der Platzfrage ging es nur noch um die Installation der Maschine. Nur noch? Nein. Zermatt ist auch hier speziell. Für Schwertransporte bedarf es einer Sondergenehmigung. Und die erhält man nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters im Mai und November. Dann nämlich, wenn keine Saison ist.
Bittel entschied sich für den Frühling, gleich nach der Schneeschmelze. Unten im Tal wurde die 16,5 Tonnen schwere Conturex von einem auf zwei kleinere Transporter umgeladen und dann an das über 1600 Meter hoch gelegene Ziel transportiert. Von der Gemeinde hatte man nur eine Stunde Zeit zum Abladen bekommen. Eine Herausforderung, die das Weinig-Monteurteam bravourös meisterte. «Keine andere Weinig-Conturex produziert an einem so hoch gelegenen Ort wie diese», sagt Barmettler nicht ohne Stolz.
Erfolgreiches Ende eines langen Weges
Dass sich die Mühen gelohnt haben, ist spürbar. Bittel kann dank der Conturex-Technologie nun mit dem Wettbewerb im Tal locker mithalten – sowohl bei der Flexibilität als auch bei der Lieferzeit. Letztere ist in Zermatt von besonderer Bedeutung, denn die Kunden kommen oft aus Gastronomie und Hotellerie. Da bleibt zwischen Sommer- und Wintersaison nur wenig Zeit für Bau, Ausbau oder Renovierung.
Nach der Schulung bei Weinig in Tauberbischofsheim (D) kann der Fensterbauer die Vorteile der Conturex für die Prozessgeschwindigkeit voll ausnutzen: «Früher hiess es warten, wenn wir ein Fenster nach einer Schiebetür bearbeiten wollten. Heute laufen beide Aufträge parallel, ohne dass jemand sich darum kümmern muss», freut sich Bittel. Die anspruchsvollen Arbeiten wie die Konstruktion auf seinem Fensterprogramm 3E und die Arbeitsvorbereitung erledigt er selbst. Die Bedienung der vollautomatischen Conturex kann er auch weniger erfahrenen Mitarbeitern anvertrauen.
Am Ende eines hindernisreichen Weges hat Bittel seinen Traum realisiert. Mit den «Superhirnen», wie er die Fensterbau-Spezialisten aus Tauberbischofsheim bezeichnet, wurde für seinen Betrieb eine optimale Lösung entwickelt. Und die Investition hat ihn wieder auf die Erfolgsspur gebracht.