Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Pilotprojekts diskutieren in Gruppen mögliche Umsetzungsmassnahmen. Bild: Michael Poysden
16 Betriebe beteiligen sich am Pilotprojekt des VSSM und der Fachstelle UND zum Thema «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben». Das im Jahr 2023 gestartete Projekt ist auf Kurs. Über 60 Massnahmen wurden anlässlich von Workshops in den Unternehmen entwickelt. Nun geht es darum, die Massnahmen umzusetzen und deren Wirkung zu untersuchen. Der zweite Runde Tisch bot allen Beteiligten die Möglichkeit, sich auszutauschen.
Das Projekt ist auf Kurs. Dies haben sowohl Daniel Furrer, Direktor des VSSM, wie auch Tobias Oberli und Anna Kilchenmann von der Fachstelle UND zu Beginn des zweiten Runden Tischs des Pilotprojekts «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» betont. Der Fokus liege nun auf der Initiierung und erfolgreichen Umsetzung, nachdem in den Unternehmen im Rahmen von Workshops unter der Leitung von UND über 60 Massnahmen entwickelt worden sind.
«Es ist sehr erfreulich, dass weiterhin alle 16 Betriebe an Bord sind», sagte Daniel Furrer. Das Projekt und die Erkenntnisse daraus seien wichtig, um das Thema «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» in der Schreinerbranche zu etablieren. Es gehe schliesslich auch darum, die Branche im Arbeitsmarkt erfolgreich zu positionieren.
Viel voneinander lernen
Tobias Oberli schloss sich in seinem Eingangsreferat den Worten von Furrer an. «Wir sind an einem guten Punkt im Projekt. In allen Betrieben wurden Massnahmen erarbeitet. Ein wichtiges Ziel des gesamten Prozesses – besonders des heutigen Runden Tischs – ist neben der allgemeinen Sensibilisierung der Austausch zwischen den Betrieben. Wir können viel voneinander lernen und von wertvollen Erfahrungsberichten sowie neuen Impulsen profitieren», sagte Oberli.
Verschiedene Einflussfaktoren
Die von den Unternehmen definierten Massnahmen lassen sich in verschiedene sechs Einflussfaktoren unterscheiden:
- Zeit
- Ort
- Geld
- Instrumentelle Unterstützung
- Emotionale Unterstützung
- Verankerung
Beim Faktor Zeit sei vor allem die Abstimmung im Team ein wichtiger Hebel, erwähnte Oberli. «Wenn zum Beispiel ein Teammitglied immer am Mittwochabend sein Kind aus der Kita abholen muss, kann das unkompliziert in die Einsatzplanung mit aufgenommen und im Team aufgefangen werden. Ein anderer Kollege oder eine Kollegin hat vielleicht an einem anderen Tag eine Verpflichtung, an dem er respektive sie die Arbeit früher verlassen muss.» Solche unkomplizierten Abmachungen in einem Team hätten eine grosse Wirkung, vor allem in Betrieben, in denenTeilzeitarbeit bereits etabliert sei.
Auch fix verordnete Betriebsferien, vor allem in den Sommerferien und während der Feiertage über den Jahreswechsel, sind zunehmend auf dem Prüfstand. «Hier ist es wichtig, zu eruieren, ob diese wirklich betrieblich notwendig sind», erklärte Oberli.
Möglichkeit zum Duschen und Umziehen
Der Ort, an dem die Arbeit verrichtet wird, ist ein weiterer wichtiger Faktor. Bei Bürotätigkeiten ist es heutzutage auch in Schreinereien üblich, dass zumindest ein Teil der Arbeit im Homeoffice erbracht wird. «Aber natürlich ist dies bei handwerklichen Tätigkeiten in der Werkstatt oder auf der Baustelle nicht oder nur sehr beschränkt möglich,» führte Oberli aus. Hier gehe es weniger um das Thema Homeoffice, sondern zum Beispiel um die Bereitstellung von Umzieh- und Duschmöglichkeiten, um so eine kurze Joggingrunde in der Mittagspause zu ermöglichen.
Verankerung im Betrieb
Sandra Ziehli ist Mitglied der Geschäftsleitung in der Schreinerei Ziehli in Lobsigen (BE). Im Unternehmen mit 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Thema Vereinbarkeit bereits etabliert. «Es ist wichtig, dass das Thema von den Vorgesetzten tagtäglich vorgelebt wird», sagte Ziehli. Sie hätten im Betrieb schon seit einiger Zeit Mitarbeitende, die Teilzeit arbeiteten. «Kürzlich haben wir eine Stelle ausgeschrieben, bei der wir das Pensum auf 60 bis 100 Prozent veranschlagt haben. Eine solche flexible Ausschreibung hilft uns, den Kreis an möglichen Bewerberinnen und Bewerbern zu vergrössern. Schliesslich haben wir jemanden zu 60 Prozent eingestellt».
Eine solche Ausschreibung habe eine Wirkung nach innen und aussen. Gegen innen werde den aktuellen Mitarbeitenden aufgezeigt, dass Teilzeit möglich sei, und gegen aussen könne man sich als modernen Arbeitgeber positionieren. Ziehli hat für ihr Unternehmen im Laufe dieses Projekts bereits einige Massnahmen entwickelt, die sie nun in den nächsten Wochen und Monaten umsetzen wird.
Miteinbezug aller Mitarbeitenden
«Hebe-Schiebe-Tage» sind fixer Bestandteil des Arbeitsalltags der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GAWO Gasser AG in Wolhusen (LU). Basil Gasser, der das Unternehmen zusammen mit seiner Schwester in dritter Generation führt, hat diese Tage im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung vor gut drei Jahren eingeführt.
«Diese Tage werden ausschliesslich dafür genutzt, um Verbesserungen im Unternehmen umzusetzen», sagte Gasser. «Unsere Mitarbeitenden werden ständig ermuntert, Vorschläge einzubringen. Diese Ideen werden anlässlich der «Hebe-Schiebe-Tage» umgesetzt. Dies können auch ganz kleine Anpassungen sein. Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeitenden ein Erfolgserlebnis haben. Es gibt kaum etwas Schöneres, als stolz auf eine Verbesserungsmassnahme zu sein, die man selber eingebracht hat».
Dieser Prozess der laufenden Verbesserung unter Einbezug aller Mitarbeitenden ist zeitintensiv. «Wir wenden rund sieben Prozent unserer Arbeitszeit für diesen Prozess auf», sagte Gasser. Das klinge nach viel, sei aber für den Betrieb eine sehr gute Investition in die Zukunft. Der «Return on Investment» sei sehr erfreulich. Dafür nimmt er zwischendurch auch mal das Telefon in die Hand und ruft Kundinnen und Kunden an, um ihnen zu erklären, wieso seine Mitarbeitenden an diesem Tag nicht auf der Baustelle seien.
Neuer Gesamtarbeitsvertrag für die Schreinerbranche
Aktuell ist der VSSM zusammen mit den Gewerkschaften an der Ausarbeitung eines neuen GAV’s, der Anfang 2026 in Kraft treten soll. Das Thema Vereinbarkeit solle im neuen Vertragswerk besser abgebildet werden, erklärte Daniel Furrer. «Ein wichtiger Aspekt der Vereinbarkeit ist sicherlich die zeitliche und örtliche Flexibilisierung. Dabei ist aber wichtig zu verstehen, dass ein GAV nie auf einer grünen Wiese entsteht, sondern das Ergebnis ist von intensiven Verhandlungen.» Dies sei sehr anspruchsvoll, da letztlich nur die Punkte aufgenommen werden, bei denen ein Konsens zwischen den Parteien besteht.
Umsetzung in den Unternehmen
Zum Abschluss des zweiten Runden Tisches erläuterten Daniel Furrer und Tobias Oberli das weitere Vorgehen. In den nächsten Wochen und Monaten liege der gemeinsame Fokus auf der Implementierung der erarbeiteten Massnahmen. Die Fachstelle UND unterstützt die Betriebe weiterhin individuell bei Fragen, steht ihnen zur Seite und vernetzt sie miteinander.
Anfang 2025 wird das Projekt abgeschlossen. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus werden in geeigneter Form für die ganze Branche aufbereitet. Erste Ideen, wie dies gemacht werden soll, bestehen bereits. So sind zum Beispiel neue Weiterbildungsformate oder die Gründung von Erfahrungsgruppen mögliche Ansätze.
Michael Poysden
Zum Bericht über den ersten Runden Tisch