Ein Drittel werden Senioren sein

Woche: 
11
Jahr: 
2019
Rubrik: 
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Alterswohnungen.  Was in 20 Jahren in grosser Zahl baulich vorhanden sein soll, muss man heute schon aufbauen. Eine Nachfrage, wie der Bund auf die überalternde Gesellschaft und ihre Wohnbedürfnisse zu reagieren gedenkt.

Als «Graue Wohnungsnot» wird in Deutschland das bezeichnet, was in rund 20 Jahren ein grosses Problem sein könnte. Eine Studie des deutschen Pestel-Instituts in Hannover kommt zum Schluss, dass zwischen 2035 und 2040 der Anteil an Senioren, die für ihren Lebensunterhalt auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, von derzeit 3 Prozent auf 25 bis 35 Prozent steigen wird. Die Forscher weisen darauf hin, dass alle geburtenstarken Jahrgänge dann in Pension sind und steigende Wohnkosten auf sinkende Haushaltskassen prallen. Voraussichtlich werden dann zu viele Bevölkerungsgruppen um kleinere, kostengünstige Wohnungen ringen, wobei diese nur in geringem Masse seniorengerecht ausgebaut sein dürften.

Die Schweiz der Zukunft

Auf die Nachfrage, wie die Situation in rund 20 Jahren in der Schweiz aussehen könnte, erteilte der Bund und Pro Senectute nachfolgende Auskünfte. Ebenso zur Feststellung, dass die starken Veränderungen ja kontinuierlich im aktuellen Wohnungsbau berücksichtigt werden müssten.

Dass 2040 alle geburtenstarken Jahrgänge pensioniert sind, trifft natürlich auch auf die Schweiz zu. Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat aufgrund einer Strukturerhebung von 2016 die «Wohnverhältnisse der älteren Menschen in der Schweiz» beleuchtet und Prognosen für das Jahr 2045 erstellt. Demnach dürfte die Anzahl Personen, die 2016 Senioren waren, also 65 Jahre oder älter, von 1,5 Millionen auf mehr als 2,7 Millionen steigen. Das wäre dann, gemessen an der Gesamtbevölkerung, ein Anstieg von 18 auf 27 Prozent.

Selbstständige Senioren

In der Schweiz haben die Menschen weltweit eine der höchsten Lebenserwartungen mit guter Gesundheit. Das zeigt sich auch daran, dass derzeit nur gerade 4 Prozent dieser Gruppe in Alters- und Pflegeheimen leben. Die verbleibenden 96 Prozent wohnen in ihren Wohnungen und Häusern. Davon leben 32 Prozent alleine und 56 Prozent zu zweit. Erstere sind zunehmend.

Dieser hohe Grad an Selbstständigkeit nützt auch der Allgemeinheit, da betreute Plätze hohe Kosten verursachen. Demgegenüber steht das Bedürfnis nach seniorengerecht gebauten, kleineren und somit pflegeleichten Wohnungen, die günstig und mit einer Rente gut bezahlbar sind. Damit würde sich ein Wohnungswechsel für Senioren lohnen und die Selbstständigkeit noch gestärkt.

Einpersonenhaushalt im Vormarsch

Mit Blick auf die gesamte Bevölkerung fallen die «Szenarien zur Entwicklung der Haushalte 2017–2045» des BFS auf. Tatsache ist, dass Einpersonenhaushalte heute mit 35,3 Prozent den grössten Anteil der Haushalte ausmachen, gefolgt von 32,8 Prozent Zweipersonenhaushalten und erst dann kommen die Drei- oder Mehrpersonenhaushalte. Dieses Verhältnis dürfte sich laut Studie bis 2045 noch markant verstärken. Wohnungen für Einpersonenhaushalte sind somit das Thema schlechthin. Während die einen Anwärter darauf über einen Lohn verfügen, müssen die anderen Bewerber die Wohnung mit ihrer Rente aus verschiedenen Töpfen bezahlen. Zudem haben sie Ansprüche, die das Alter zwangsläufig mit sich bringt.

Vorhandenes Vermögen als Puffer

Die Gründe für den grossen Bedarf an Einpersonenhaushalten bei der arbeitenden Bevölkerung sind sicher vielfältig. Das soziale Zusammenleben hat und wird sich weiter verändern. Beispielsweise die hohe Zahl der Paare, die sich trennen, dürfte auch darauf hinweisen, dass nicht so viel Vermögen bis ins Rentenalter gerettet werden wird wie bei früheren Generationen.

Fehlt ein solches Vermögen, kann es bezüglich der Wohnungsmieten zu Problemen kommen, da diese in den meisten Kantonen durchschnittlich höher sind, als die Renten das zulassen. Das vorhandene Vermögen dient dann zum Ausgleichen einer allfälligen Differenz. Selbst Ergänzungsleistungen reichen laut einer Aufstellung der Pro Senectute aufgrund von Zahlen des BFS nicht. Über 43 000 solcher Haushalte bezahlen demnach schon jetzt für ihre Verhältnisse zu hohe Mieten und sparen beispielsweise beim Essen sowie bei der Kleidung.

10 Prozent sind armutsbetroffen

In den Studien und Publikationen «Wohnungsmarkt», «Wohnversorgung in der Schweiz» des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) fällt eine Zahl besonders auf: Demnach sind 10 Prozent der Schweizer Haushalte armutsbetroffen. Bei weiteren rund 6 Prozent ist die Lage prekär. Von Ersteren sind mehr als vier Fünftel zusätzlich unzureichend wohnversorgt, was vor allem an den hohen Wohnkosten liegt. Die Qualität der Wohnsituation entspricht also nicht den Mindestanforderungen, die Bund und Kantone als Grundlage annehmen.

Was daraus resultiert

Viele Zahlen und der Versuch, grundlegende Zusammenhänge aufzuzeigen, liegen vor. Ob es 2040 eine Wohnungsnot für Rentner geben wird, darüber kann lange diskutiert werden, ohne eine sichere Erkenntnis zu erlangen. In der Schweiz richten sich die Wohnbauten hauptsächlich nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Die ganzen Studien zeigen aber, dass es immer mehr Wohnungen für Ein- und Zweipersonenhaushalte braucht, die günstig sind und die Bedürfnisse der steigenden Anzahl an Senioren decken müssen. Gute Ideen sind gefragt und ebenso eine enge Zusammenarbeit mit Bauherren, die in dieser Richtung an der Zukunft bauen wollen.

www.bwo.admin.ch
www.bfs.admin.ch
www.prosenectute.ch

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